Im Dezember 2007 besuchte ich das Café Museum in der Nähe vom Karlsplatz und sah mir das Ergebnis seiner Restaurierung nach den Plänen von Adolf Loos an.

Nach einem Besuch im Museum der Stadt Wien machte ich einen kleinen Einkehrschwung in das Café Museum. Hier soll mal der Schriftsteller Robert Musil Stammgast gewesen sein und natürlich wollte ich mal gucken, was Herr Musil damals so toll gefunden hatte.

Das Café war im Jahre 1899 von Adolf Loos eingerichtet worden, der sich damals einer Architektur verschrieben hatte, die gänzlich ohne Ornamente auskommen wollte. Ein berühmtes Beispiel dafür war sicher das Looshaus am Michaelerplatz.

Nun, wie würde so ein Architekturstil in einem Kaffeehaus aussehen? Darauf war ich sehr neugierig. Im Jahre 2003 hatten die Besitzer die Inneneinrichtung nach alten Plänen wieder her gestellt, so dass ich sie in einer Form sehen würde, wie es sich der Herr Loos seinerzeit ausgedacht hatte.

Nachdem ich meine Bestellung getätigt hatte, begann ich die Architektur des Cafés zu studieren. Es war wieder eines jener typischen Eckcafés mit zwei langen Räumen, die sich vom Eingang weg wie bei einem 'L' in zwei Richtungen erstreckten.

Die eher kleinen Tische standen wie Zinnsoldaten aufgefädelt, was in Zusammenwirken mit der Regelmäßigkeit aller anderen Einrichtungsmerkmale mir einen eher steifen Eindruck vermittelte.

Während die Tische am Fenster den Blick auf die Straße und die nahe Sezession erlaubten, luden die Tische entlang der Wände zum Flirten ein.

Die Tische in der Mitte hingegen waren wohl für jene, die weder das eine noch das andere wollten, oder so wie ich, einfach wo anders keinen Platz mehr fanden.

Gut Platz hätte dafür meine Aktentasche finden können, denn zu meinem Erstaunen waren die Wände mit Hutablagen aus Messing versehen, die schon das Ausmaß von einem Gepäcksnetz in einem Eisenbahnwagen hatten.

Dieser Messing zog sich dann auch durch das ganze Kaffeehaus. Selbst die Wanddekoration  - in blassgrünen und dunkelgrünen Streifen gehalten - schloss oben mit einer Leiste aus Messing ab.

Das war natürlich wieder typisch Adolf Loos. Gegen den Luxus der Ornamente wettern, aber dann selbst die Gurtbögen der Decke mit Messingleisten verzieren.

Der Stuhl, der unter meinem Gewicht ächzte, schien ein Modell aus dem Haus Thonet zu sein, die kleinen Tische und auch die Wandverkleidungen strahlten die Gediegenheit von Mahagoni aus.

Insgesamt ein schönes Seherlebnis, wenn nicht alles, ja, wenn nicht alles so verdammt neu gewirkt hätte. Die Patina von 20 Jahre alten Stühlen und abgewetzten Polsterbezügen glänzte leider durch Abwesenheit.

Viele Freunde hatten mir schon vorher erzählt, dass nun das Flair des Kaffeehauses ins Nichts entschwunden wäre. Aber auch diese Bemerkungen klangen für mich ironischerweise wie eine Rekonstruktion der Vergangenheit.

Bezeichnete  doch der österreichische Schriftsteller Ludwig Hevesi schon kurz nach Eröffnung des Cafés im Jahre 1899 die Einrichtung als nihilistisch, was ja auch nichts anderes als eine Umschreibung für das 'Nichts' gewesen war.

Inzwischen war mein Essen serviert worden und ich unterbrach meine philosophischen Betrachtungen, den vor jeder Kunst kommt erstmal der Magen.

Eine Portion Schinkenfleckerl mit grünen Salat und Kürbiskernöl hatte ich mir von der Karte ausgewählt, auf der auch preiswerte Tagesteller angeboten wurden. Im Gegensatz zu anderen Wiener Cafehäusern kann man sich hier auch gut verköstigen, ohne Hofrat zu sein.

Zum Kaffee als Nachtisch konnte ich mir wieder meinen Kaffeehausbetrachtungen widmen. Was gehört noch zu einem Kaffeehaus? Natürlich Zeitungen und Zeitungsleser.

Schon seit einigen Minuten zog eine ältere Dame entlang der Tische und kassierte alle Zeitungen ein, die die bisherigen Leser nicht rechtzeitig in Sicherheit gebracht hatten.

Fasziniert betrachte ich mit welcher Beharrlichkeit sie ans Werk ging, und sich dann mit dem ganzen Stoß internationalem Nachrichtenpapier und einem Kaffee auf einer der Thonet Sessel gemütlich machte.

Keine Frage, hier schienen die Gäste noch viel Zeit zu haben, die sie mit gemächlichem Zeitungslesen zu vertreiben gedachten. Und für so moderne Leser wie mich gab es sogar kostenloses WLAN, was will man noch mehr?

Vielleicht noch etwas Musik? Am anderen Ende des Raumes hatte ich ein Klavier bemerkt, auf dem eine einsame Tulpe ihrer Aufgabe als Dekoration nachkam. Kurioserweise wirkte sie dabei wie ein aufgestellte Mikrofon, was ich ihr aber natürlich nicht sagte.

Einem ausliegenden Blatt entnahm ich, dass hier zur Zeit zwar keine Konzerte geboten wurden, dafür aber jede Menge an Lesungen. Was einem Café durchaus entspricht, wo schon Leute wie Karl Kraus, Peter Altenberg oder Roda Roda ihre Melange getrunken hatten.

Apropos, auch ich hatte nun meine Melange in diesem Kaffeehaus getrunken und war um ein Wiener Gustostückerl reicher geworden. Ein Kaffeehaus, das ich zwar nicht als urig bezeichnen möchte, dass aber für den Interessierten von Architekturgeschichte immer einen Sprung auf einen Kaffee wert sein sollte.

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