Anlässlich der Sonderaustellung über Plakatkunst um 1900 besuchte ich wieder mal das historische Museum der Stadt Wien und stellte fest, hier gibt's weit mehr zu sehen als ein bisschen altes Zeug.
Die Themen begannen chronologisch richtig bei den Ureinwohnern Wiens, allerdings war das mit ein paar Steinen und Keramiken sehr schnell abgehandelt.
So richtig spannend wurde der Raum Wien für mich erst unter den Römern. Diese hatten hier eine feste Garnison. Von dieser blieb doch tatsächlich ein Kanaldeckel aus Stein übrig, der mir nun wuchtig vor den Füßen lag.
Das nächste Highlight war dann schon etwas luxuriöser als ein miefiger Kanaldeckel, hier handelte es sich um mittelalterliche Funeralwaffen. Wie ich erst bei dieser Gelegenheit erfuhr, gab es spezielle Rüstungen und Waffen für Begräbnisse. Mich erinnerten diese zahlreichen Helme mit prächtiger Helmzier an jene witzigen Kopfbedeckungen, die ich zum Beispiel in schottischen Kathedralen im Chorgestühl vorfand.
Im weiteren Teil des Erdgeschoßes ging es dann etwas christlicher weiter, hier wurden vor allem Figuren und Bauelemente bedeutender Kirchen Wiens gezeigt, in der Regel stammten sie vom Stephansdom, der ja einer der Wahrzeichen Wiens ist.
Hier konnte ich also Figuren aus nächster Nähe sehen, die sonst oft an die 100 Meter über unseren Köpfen ragen und uns von oben immer nur auslachen. Aber jetzt konnte ich mal den steinernen Fratzen ins leblose Auge blicken.
Im ersten Obergeschoß befand ich mich dann schon etwas näher dem unsrigen Jahrhundert. Ein großes Stadtmodell zeigte mir, wie Wien so um 1850 aussah, als es noch die große Mauer rund um die Innenstadt gab. Bekanntlich wurde diese ja später völlig abgebaut und durch die prächtige Ringstraße ersetzt mit ihrer repräsentativen Bauten im Stil des Historismus ersetzt.
Wo ich gerade über prächtige Bauten spreche, ein ganz toller davon ist ja die Karlskirche, und genau auf diese hatte ich einen prächtigen Blick als ich nun aus einem großen Fenster des Museums blickte. Fast habe ich ein wenig den Eindruck, das der Architekt des Museums sehr bewusst gerade an dieser Stelle für ein großes Fenster sorgte, so dass diese glanzvolle Kirche wie in einem Bilderrahmen eingespannt den Raum belebte.
Belebend waren auch die Köpfe von Franz Xaver Messerschmidt, der die Idee hatte in den von ihm modellierten Gestalten unsere Emotionen so unvergleichlich zu modellieren. Das historische Museum zeigt nur eine Auswahl davon, wer Lust auf mehr bekommen hat, kann sich noch mehr "zornige", "lustvolle" und "nachdenkliche" Köpfe im unteren Belvedere ansehen.
Ich ging allerdings im selben Gebäude weiter und traf dann plötzlich auf einen eisernen Geldschrank aus dem Jahre 1770, der nicht nur stabil sondern auch kunstvoll verziert wirkte. Sozusagen für Panzerknacker mit Kunstverständnis.
Ein sicher sehr interessantes Einzelstück fand ich dann im Bereich des dreißigjährigen Krieges. Dort lag in einer Vitrine das Spielbrett des berühmten Feldherren Albrecht Wallenstein. Schon damals waren diese Spielbretter multifunktional geschnitzt. So konnte Wallenstein sowohl Schach als auch Mühle auf diesem Brett spielen.
Weniger spielerisch sahen die Exponate über die Türkenkriege aus. Wien war ja bekanntlich gleich zweimal von den Türken belagert worden. In beiden Fällen war die Belagerung erfolglos und die Türken mussten unter Zurücklassung zahlreicher Gegenstände wieder abziehen. Die Feldzeichen der geschlagenen Armeen stehen nun zum Teil im historischen Museum, unter anderem auch die bei den Türken üblichen Roßhaarstandarten. Auch interessant fand ich die Konstruktion der damaligen Feuerzeichen. Mit solchen speziellen Feuerzeichen signalisierten sich die Wachtposten das Nähern der feindlichen Heere.
In einem weiteren Bereich stieß ich für mich unerwartet auf Kunstwerke der ganz anderen Art. Das Historische Museum hat scheinbar auch Bilder berühmter Maler angekauft und so stand ich nun Werken von so bedeutenden Künstlern wie Egon Schiele, Gustav Klimt und Egon Hausner gegenüber. Der Hausner malt ja sehr speziell, und es machte mir Spaß sein Werk mal sehr genau aus nächster Nähe zu betrachten.
Auch nicht schlecht ist die Möglichkeit die Wohnungen berühmter Persönlichkeiten genauer betrachten zu können. Tatsächlich hat das Museum keine Mühen gescheut zum Beispiel das Wohnzimmer des Architekten Adolf Loos oder des Dichters Franz Grillparzers mit Originalteilen nachzubauen. Also das Wohnzimmer vom Loos mit der intimen Sitzgruppe neben dem Kamin, das könnte mir auch gefallen!
Die Wohnung vom Grillparzer war schon etwas älter eingerichtet, er lebte aber auch in einem ganz anderen Jahrhundert. Schade, das man nicht auch Bad und Küche mit abbildete. Das sind Räume die sich doch sehr verändert haben, seit damals.
Wie sich so mancher seinerzeit eingerichtet hatte, konnte ich dann noch in einem anderen Teil des Museums erkennen. Da gab es doch glatt so merkwürdig aussehende Musikinstrumente wie zum Beispiel das Giraffenklavier.
Auch verschiedene Stühle wurden gezeigt. Hier fragte ich mich allerdings ob mich das Museum veräppeln will. Bei den meisten Stühlen stand als Hersteller "Thonet oder Konkurrent". Aha! Thonet ist ein sehr bekannter Hersteller von Stühlen, die sehen wirklich toll aus. Aber irgendwie klang die Beschriftung so nach "Der oder vielleicht auch ein anderer"
Falls sich die Leserinnen meines Berichtes bisher gelangweilt haben, es gibt auch schöne Mode im Museum zu sehen! Zum Beispiel Sommerkleider der besseren Gesellschaft des 19. Jahrhunderts. Damals bestanden die Kleider noch nicht aus T-Shirt und kurzer Hose sondern aus langen Röcken und hochgeschlossenen Blusen. Denen muss ganz schön heiß gewesen sein...
Apropos heiß, mir war es angesichts der hochsommerlichen Hitze auch schon zu heiß geworden und so beschloss ich das Museum in Richtung Bierfaß zu verlassen....
Zuvor noch ein paar Kleinigkeiten am Rande:
Lage
Das Museum war sehr leicht zu finden, des es befand sich direkt am sehr bekannten Karlsplatz. Von der U1 aus brauchte ich mich nur in Richtung Karlskirche wenden und entdeckte dort bald die Fahnen des Museums.
Gewöhnlich gehe ich aber sehr gerne vom Südbahnhof durch die Gärten des Belvederes (Sommerresidenz von Prinz Eugen) und dann entlang der Schweizer Botschaft (schweizerisch bieder) und der französichen Botschaft (französich elegant und sehenswert!) zum Museum.
Eintritt
Der Preis betrug für mich 3,60 Euro (Vollpreis). Als Eintrittskarte bekam ich eine Blechmarke, die ich mir am Hemd befestigte. So konnte ich durch die Räume gehen ohne nach einer Karte gefragt zu werden.
In dem Preis ist auch der Eintritt zu sehr sehenswerten Sonderausstellungen enthalten. Ich habe hier schon Ausstellungen über die Samurai in Japan gesehen oder gerade eben etwas über die kunstvollen Plakate um 1900 herum.
Ach ja, am Freitag vormittag gibts freien Eintritt, wenn dieser Freitag nicht gerade ein Feiertag ist.
Garderobe/Fotografieren
Gleich neben dem Eingang befand sich eine bewachte Garderobe wo ich kostenlos meinen Rucksack abgeben konnte. Das Fotografieren war im Museum erlaubt.
Gastronomie
Das Museum verfügte über ein Café, das ein paar interessante Features aufweisen konnte. Zum ersten bot es Frühstück von 09:00 bis 18:00 an! Außerdem gab es vier Internet Terminals zur freien Verfügung.
Das Café befand sich im überdachten Lichthof des Museums und hatte dadurch auch eine große Tanzfläche. Tatsächlich steht das Café für Parties usw. zur Verfügung.
Toiletten/Mobilität
Die Toiletten befanden sich zum einen im Keller unter dem Café und zum anderen in den Stockwerken. Die Toiletten im Keller sind zwar über einen Aufzug erreichbar, erschienen mir aber nicht rollstuhltauglich.
Die Ausstellung selbst war rollstuhltauglich, die Stockwerke konnte ich mit Aufzügen erreichen.
Museumsshop
Der Museumsshop befand sich im Eingangsbereich und bot eine Vielzahl an Material über die Stadt Wien an. Darunter auch so Bücher über das Unbekannte Wien, jede Menge Detailthemen usw. Auch ein Video vom berühmten Klassiker "Der Dritte Mann" entdeckte ich. Ansonsten gab es das übliche Merchandising, wie etwas Puzzles mit Wien Motiven oder Spielkarten über Wien.
Audio Guide/Führungen
Ein Audio Guide wurde nicht angeboten. Die regelmäßigen Führungen finden an den Wochenenden statt (FR 11:00, SA 16:00, SO 11:00 und 16:00). Man kann sich aber auch andere Termine mit der Museumsleitung ausmachen.
Resümee
Zwar hat das Museum nicht die Großartigkeit des Kunsthistorischen Museums am Ring hat, oder den Tiefgang eines spezialisierten Museums wie zum Beispiel das Ephesos Museum in der Wiener Hofburg, denoch gefiel mir die Möglichkeit zahlreiche Werke bekannter Meister zu sehen und die Wohnungen berühmter Österreicher kennen zu lernen.
Weitere Reisenotizen und Links
Webseite des Museums