Im Mai 2008 lernte im Schloss Kroměříž jenen Saal kennen, wo 1848 erfolglos versucht wurde für die österreichische Habsburgermonarchie eine neue Verfassung auszuarbeiten.
Auf den Besuch des Schlosses freute ich mich besonders, hatte doch dieser Ort nicht nur eine politische Bedeutung, sondern zählte das Schloss mit seinen Gärten auch zum Weltkulturerbe.
Darum verbrachte ich die Zeit bis zum Beginn der Führung in jenem der beiden Gärten, der unmittelbar am Schloss begann. Die Anlage war riesig und rasch war mir klar, dass ich für diese Gärten noch einmal einen Besuch einplanen müsste.
Die Führung erfolgte dann zu meiner Überraschung in tschechisch-deutsch. Konkret hieß das, dass ein Mitglied der Gruppe den deutschen Führungstext vom Blatt las und die tschechische Führerin - die kein Deutsch verstand - zustimmend nickte.
Lediglich bei Nennung der verschiedenen Herrschernamen wies sie mit der Hand in die richtige Richtung, was hilfreich war, da aus den Texten nicht immer hervor ging, wo jetzt wer an der Wand 'hing'.
Von den Räumen, die wir wieder in diesen unvermeidlichen Stoffpantoffeln durchschlurften, beeindruckten mich die Bibliothek, der Lehenssaal und natürlich der Reichstagssaal am Meisten.
Die Bibliothek bestand aus mehreren Räumen, in denen die damals üblichen wissenschaftlichen und religiösen Werke versammelt und auch einige riesige Erd- und Himmelsgloben zu finden waren.
Der Lehenssaal wurde bei der Verleihung von Lehen verwendet, falls es gerade keine zu verleihen gab, diente er auch als Gerichtssaal.
Die räumliche Trennung zwischen den hohen Herren und niederen Herren kam in diesem Raum deutlich durch Schranken und durch die unterschiedlich Beschaffenheit der Stühle zum Ausdruck.
Während die einzelnen Funktionen des Raumes vom Blatt verlesen wurden, malte ich mir im Gedanken eine Situation aus, wo der Erzbischof entrüstet den Raum verlassen hätte wollen.
Da hätte er sich aber schwer getan, da die Schranken ihn nicht nur von den niederen Herren trennte, sondern seine unantastbare Person im gleichen Ausmaß auch einschloss.
Aber vielleicht entrüsten sich Erzbischöfe auch nicht und ich dachte wieder mal an Dinge, die es gar nicht gab. Darum weiter zu den nächsten Räumen.
Höhepunkt war zweifellos der Reichstagssaal, der sich über mehrere Geschosse erstreckte und prachtvoll ausgestattet war. Im Gedanken sah ich hier die höfische Gesellschaft tanzen und feiern.
Wobei ich mir natürlich nicht vorstellen konnte, mit wem die Bischöfe getanzt haben sollen. Jedenfalls nicht mit ihren Frauen. Ich denke schon wieder zu viel nach...
Der prächtige Saal erfüllte aber 1848 eine andere wichtige Rolle. In Wien war eine Revolution ausgebrochen, das Kaiserhaus war nach Olmütz geflohen. Der Reichstag hingegen übersiedelte nach Kroměříž und versuchte hier eine neue Verfassung auszuarbeiten.
Ein Modell zeigte mir, wie man in dem Saal mit Hilfe von groß angelegten Holztribünen alle Abgeordnete samt Stenographen untergebracht hatte.
Eine Tafel zeigte auch, wo welcher Abgeordnete gesessen hatte, so dass man 'seinen' Abgeordneten hätte suchen können, soweit man welche namentlich gekannt hätte.
Bemerkenswert fand ich, wie man einen so schönen Saal umgestalten konnte, dass tatsächlich ein ganzer Reichstag darin Platz gefunden hatte.
Die weiteren Räume hingegen waren dazu fast trivial. Der Schlafraum des Erzbischofs wirkte bieder, ja fast ländlich. Und so ging es weiter bis zum Ende der Führung.
Die noch verbliebene Zeit nutzte ich, um auf den Schlossturm zu steigen. Ich erwartete mir von dort oben einen besseren Blick auf das Rathaus, dass sich vorhin beim Stadtspaziergang durch ein Stadtfest vor meiner Kameralinse versteckt hatte.
Der Aufstieg war beschwerlich, zeitweise sehr eng. Kurioserweise kam mir knapp vor der Turmspitze ein kleiner Hund entgegen, dem der Aufstieg wegen seiner kurzen Beine wohl unbeschreiblich schwerer gefallen sein musste.
Während wir also unsere Wege und Blicke kreuzten, frage ich mich, was sich das Hündchen gedacht haben muss, als es die Welt zur Abwechslung mal von oben und nicht von unten gesehen hatte.
Ich dachte mir jedenfalls, super Rundblick, und fotografierte nun das Rathaus und einige Kirchen der Umgebung. Dabei entdeckte ich auch den zweiten Schlosspark, dessen Besuch sich aber wegen seiner Entfernung nicht mehr ausging.
Denn es war Zeit geworden, die Stadt wieder zu verlassen. Gut in Erinnerung werden mir der Reichstagssaal und der große Park bleiben ... und ein weißes Hündchen, dass sich mal die Welt von oben angesehen hatte...
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