Der Fernsehturm war zum Zeitpunkt seiner Errichtung das zweithöchste Gebäude in Europa. Daraus schloss ich, dass man von seinem Restaurant aus, wenn schon nicht Europa, doch Berlin gut überblicken können müsse. Und genauso war es dann auch...
Der Turm war schnell erreicht, befand er sich doch gleich neben dem Kreuzungspunkt Alexanderplatz. Leider wohnten in diesem Turm Schlangen. Warteschlangen um genau zu sein. Diese bildeten sich offensichtlich an der Kassa, wo man die Eintrittskarten um 8 Euro kaufen konnte.
Aber so hatte ich wenigstens Zeit mir die Abbildungen von anderen hohen Gebäude der Welt anzusehen. Dabei fiel mir zum Beispiel auf, das das Empire State Building eigentlich 'uralt' ist und trotzdem noch höher als der Fernsehturm ist.
Die Fahrt mit einem der beiden Aufzüge hingegen war recht zügig. Gemeinsam mit einer Aufsichtsperson rasten wir mit 6 m/s in rund 40 sec auf das Aussichtsdeck des Turmes. Dieses befand sich in einer Höhe von ca. 200 Metern. Von hier hätte ich mir die Stadt bereits in Ruhe ansehen können, aber ich wollte noch höher hinaus, und zwar ins Telecafe.
Dieses war nur über eine kleine Treppe erreichbar, welche aber durch eine Kette blockiert war. Über der Kette befand sich ein Monitor, wo man die freien Tische im Telecafe ablesen konnte. Sobald wieder was frei wurde, wurde man ein Stock höher gelassen. Eine recht sinnvolle Maßnahme, da es einem das lästige Platz suchen erspart.
Oben angelangt bestellte ich angesichts der frühen Morgenstunde ein Frühstück und begann ein wenig im Reiseführer zu blättern. Der Fernsehturm war früher der Stolz der DDR, war er doch mit seinen 368 Metern zum Zeitpunkt seiner Errichtung das zweithöchste Gebäude in Europa. Zwar gab es in Moskau ein noch größeres Bauwerk, aber Moskau war ja auch so etwas wie ein 'größerer' Bruder. Also war das wohl ganz passend.
Die Berliner nannten das Gebäude übrigens Telespargel oder St. Walter. Wobei mir letztere Bezeichnung interessanter vorkommt, spielt sich doch auf Walter Ulbricht an. Bleibt nur die Frage, warum der gute Walter ein Heiliger sein soll? Vielleicht liegt es an dem Kreuz, das sich bei bestimmte Sonneneinstrahlung überdeutlich in der Fassade Metallkugel bildet. Ulbricht war angeblich über diesen Fingerzeig Gottes mitten in seinem Reich des real existierenden Sozialismus nicht besonders glücklich.
Natürlich kann man im Telecafe auch etwas essen. Die große Speisekarte probierte ich nicht aus, ich hielt mich am Frühstück. Dieses war allerdings moderat groß, Holzfällerportionen waren es wohl keine. Aber aus großer Höhe sieht ja bekanntlich alles etwas kleiner aus....
Das Geniale an dem Telecafé ist aber ohnehin der Umstand, das es sich langsam um die eigene Achse dreht. So konnte ich mir ganz Berlin ansehen, während ich meinen Kaffee schlürfte. Nach ca. 20 Minuten hatte ich Berlin einmal gesehen, allerdings blieb ich noch für ein paar Frühstücks Bierchen länger. Das Faszinierende an diesem mehrmaligen Gucken ist der Umstand, dass man von Runde zu Runde mehr Details erkennen kann.
Am Anfang wirkte die Stadt einfach nur riesig. Einige markante Punkte wie der Berliner Dom schoben sich dabei gleich in der Vordergrund, der Rest blieb vorerst Steinwüste. Doch schön langsam begann das Auge zu differenzieren. Die Kirchen zum Beispiel hoben sich immer deutlicher aus dem grauen Einerlei hervor. Mein Hotel tauchte plötzlich am Horizont auf, als wäre es erst vor fünf Minuten gebaut worden. Auch die Unterschiede in der Bausubstanz zwischen West und Ost wurden immer deutlicher...
Die sich mir bietenden Stadtbilder variierten auch noch im Laufe der Zeit, da mit der Zeit auch der Sonnenstand wechselte, bzw. sich das Licht der Sonne durch die Wolken immer wieder änderte. Dadurch stachen manche Häuser plötzlich hervor, während andere wieder in ihrem Einerlei verschwanden. Das Brandenburger Tor tauchte nun in einer weiteren Runde zierlich wie ein Spielzeugmodell auf, die goldene Kuppel der neuen Synagoge begann plötzlich zu blenden...
Gern hätte ich das gerne alles fotografiert, aber leider waren die Fenster dafür nicht klar genug. Interessante Fotomotive hätte es gleich mehrere gegeben. Als zum Beispiel auf den Bahntrassen unter dem Turm zwei ICE und zwei Schnellbahnen nebeneinander um die Wette fuhren, oder als auf einen der großen mehrspurigen Strassen ein Reisebus versuchte, kurz vor der Ampel die Spur zu wechseln.
Natürlich kann ich jetzt den Vergleich bemühen, das von oben alles wie auf einer Modelleisenbahn wirkt. Tu ich aber nicht. Stattdessen fand ich den Umstand interessant, wie man aus großer Höhe die Strukturen einer Stadt plötzlich viel besser versteht. Oder wie große Entfernungen zwischen den Sehenswürdigkeiten zusammen schrumpfen und man sich fragt, warum man eigentlich am Vortag dort so lange gelaufen ist.
Das Telecafe selbst war recht nett eingerichtet, an den Tischen hatte man gut Platz. Allerdings standen die Stühle recht knapp Lehne an Lehne. Da war ich direkt froh, das man seine Jacken, Taschen und Mäntel in einer Garderobe auf dem Aussichtsdeck abgeben musste. Platz wäre im Telecafe dafür kaum gewesen.
Die Innenwände des Telecafes waren mit Bildern von zwei verschiedenen Künstlern behangen, wobei einer anscheinend sehr gerne weibliche Akte malte. Nicht ganz unattraktiv, wie ich fand. Jedenfalls hatten einige männliche Besucher sichtbar Probleme ihre Augen auf die Sehenswürdigkeiten Berlins ruhen zu lassen...
Die einzelnen Sehenswürdigkeiten Berlins waren übrigens am Aussichtsdeck unter dem Telecafe gut erklärt. Und das gleich in mehreren Sprachen. Über Fernrohre hätte man auch weiter entfernte Punkte anvisieren können. Manche Industriebauten am Horizont wirkten ja fast wie hochbeinige Ungeheuer, denen man unbedingt auf den Grund gehen wollte.
Für 3 Euro hätte man sich das Stadtbild auch akustisch erklären lassen können. Ich persönlich nutzte aber die Chance mir die Stadt am Abend noch mal anzusehen. Das Telecafe hatte ja bis 24:00 geöffnet. Der Anblick war auch diesmal überwältigend und sollte auch ausprobiert werden.
Sehenswürdigkeiten waren nun kaum noch erkennbar, aber das Lichtermeer bot einen interessanten Ersatz dafür. Besonders die breiten Strassen zogen wie grüne Perlenschnüre durch das Dunkel der Nacht, wobei so manche gerade Strasse sich von hier oben als recht gekrümmt heraus stellte.
Meiner Meinung nach, sollte man beim Besuch des Fernsehturms unbedingt auch die Vorzüge des Telecafes in Anspruch nehmen. Zwar gibt es in Berlin noch andere interessante Aussichtspunkte, doch der Blick von der sich drehenden Plattform bei einem guten Glas Wein oder Bier ist einfach noch um einiges besser.
Weitere Reisenotizen und Links
Website des Fernsehturms
Olympiaturm in München
Europa Turm in Berlin